Donnerstag, 1. November 2018
Ist das noch Wohnen oder schon Gentrifizierung?
Bei uns in der Nachbarschaft gibt es einen Club. Früher hätte man Disco gesagt, heute ist es eben ein Club. Der befindet sich in einem bislang eher gewerblicheren Gebiet. Es gibt eine Brache, einige Gewerbehöfe mit Autowerkstatt, Druckerei und ähnlichem und eben diesem Club. Im Sommer wird der Außenbereich mitbenutzt und die paar Mietshäuser, die in der Nähe stehen, haben sich bislang wohl nicht daran gestört.
Nun aber wird das Gebiet entwickelt. Die Brache wird gerade bebaut, es kommen Apartmenthäuser hin, das ganze wird zwar kein Luxus, aber wohl schon leicht gehoben. Und das beunruhigt den Club bzw. deren Besitzer natürlich. Denn ob die neuen Nachbarn genauso tolerant gegenüber dem Lärm sein werden, ist fraglich. Es wird mit jungen Familien gerechnet, die vielleicht nicht mehr am Wochenende auf den Swutsch gehen wollen, sondern lieber die Kinder früh ins Bett stecken, um dann entspannt noch auf der Terrasse ein Wein zu trinken und eine angenehme Nachtruhe zu haben.
Der Besitzer des Grundstücks steht hinter dem Club und hat schon angedeutet, diesen zu unterstützen. Aber sollten sich die Beschwerden häufen, ist der Fortbestand natürlich fraglich.
Und ich stelle mir die Frage, auf welche Seite man sich nun stellen soll. Zum einen wird immer wieder gefordert, dass mehr Wohnungen gebaut werden sollen. Und auch in unserer Stadt sind Freiflächen nicht gerade reichlich gesät. Kann man dann den neuen Mietern wirklich verübeln, dass die da eben auch ungestört wohnen können? Oder müssen sie den „Lärm“ hinnehmen und ist so ein Kulturbetrieb gleichzusetzen mit einem Kindergarten, der einen besonderen Schutz hat? Ich bin unentschlossen und hoffe auf eine gütliche Einigung, fürchte aber, das der Club den Kürzeren ziehen wird.



Sonntag, 13. Mai 2018
Dilemma
Manchmal gibt es so Situationen, über die ich im Nachhinein stundenlang nachdenken kann, obwohl sie eigentlich total trivial sind. Letzte Woche zum Beispiel: An einer Kreuzung in der Nähe wurden von der Polizei Kontrollen durchgeführt, hauptsächlich für die Fahrradfahrer. Dazu muss man wissen, das kurz vor der Kreuzung sich die Straße durch eine Mittelinsel verengt und der aufgezeichnete Fahrradweg auf der Straße aufhört. Die Fahrradfahrer werden somit an dieser Engstelle zu einem Hindernis, weil eigentlich zu wenig Platz ist, sie zu überholen, was aber einige Autofahrer nicht abschreckt. Deshalb, und weil es einfach ist, an der Kreuzung dann auf den Fahrradweg der Hauptstraße zu wechseln, ohne an der Ampel warten zu müssen, wechseln viele Radfahrer vor der Einengung auf den Fußgängerweg. Die Polizei hat nun diese natürlich angehalten, weil ja Radfahren auf dem Fußgängerweg nicht gestattet ist. Ich kam also am Geschehen vorbei, wunderte kurz mich, dass die Radfahrer tatsächlich mit den Polizisten diskutieren („Kümmern Sie sich lieber um die bösen Autofahrer!“, „Haben Sie nichts Besseres zu tun?“, „Wegen so etwas soll ich nun etwa eine Strafe zahlen?“ – Merke: Wenn Dich die Polizei anhält und Du nicht hundertzehn Prozent überzeugt bist, dass Du im Recht bist, diskutiere bloß nicht. Lieber reumütig die Schuld eingestehen und auf eine Verwarnung hoffen, als sich mit denen anzulegen.) und ging weiter. Ich sah von weitem schon, dass ein weiterer Radfahrer auf den Fußweg wechselte. Ich versuchte ihm also Zeichen zu machen, dass er doch absteigen sollte, was er erst einmal komplett ignorierte. Im Nachhinein bilde ich mir sogar ein, dass er anfing, grimmig zu gucken und Kurs auf mich nahm (was ich mir wahrscheinlich aber eher komplett eingebildet habe). Erst als er auf meiner Höhe war, rief ich ihm zu: „Achtung, Polizei, absteigen!“. Ein kurzer Blick nach vorne zeigte ihm, dass ich wohl die Wahrheit sage und so steig er schnell ab, um seelenruhig das Fahrrad bis zur Kreuzung zu schieben. Durch die Autos konnte ich leider nicht genau hören, ob er mir nun ein „Danke!“ zurief oder mich komplett ignorierte.
Und das genau ist mein Dilemma: Auf der einen Seite ist mir schon als Kind beigebracht worden, dass man andere Verkehrsteilnehmer warnt: Vor Blitzern, Kontrollen und eigentlich allem, wo jemand von der Polizei angehalten werden könnte. Wahrscheinlich ist das die Rache des kleinen Mannes, der der Obrigkeit mal eins auswischen will, vielleicht auch die nette Geste, weil man hofft, selber mal gewarnt zu werden. Aber im Nachhinein habe ich mich geärgert, weil dieser Fahrradfahrer (Typ Allwetterjacke, natürlich mit Helm und Rucksack) weder auf meine Gesten reagiert hat (Ob die wohl irgendjemand hätte richtig interpretieren können?) und mir anschließen noch nicht einmal gedankt hat (Eine kleine Umarmung hätte ja schon genügt.). Wird er wirklich mich beim nächsten Mal warnen? Oder mich irgendwann vom Fußweg klingeln, weil ich in seinen Augen auf der falschen Seite gehe?
Wie gesagt: Komplett trivial, es lohnt sich nicht, darüber nachzudenken, aber es so etwas lässt mich nun mal nicht los.



Donnerstag, 21. September 2017
Der menschliche Urinstinkt
Ich bin immer wieder überrascht, dass unsere Urinstinkte uns immer noch so beeinflussen. Sei es bei der Partnerwahl, wo Frauen auf Männer stehen, die sowohl die Jagd nach Hause bringen können als auch auf die Kinder aufpassen und Männer auf Frauen, deren Körperproportionen ideal für die Geburt der Nachkommen sind. Oder dass wir viel zu viel Fett, Salz und Zucker zu uns nehmen, weil es ja morgen nichts mehr geben kann, weil der Mann vielleicht doch mal nicht der große Jäger war. Am meisten erstaunt mich aber, in wie vielen Situationen die Präsenz gerade von Männern eine Rolle spielt. Im Sport ist es ja nicht weiter verwunderlich, aber wenn man zum Beispiel in einer Schlange brav ansteht und es kommt ein stämmiger Mann daher und drängelt sich vor, wird man nur in den seltensten Fällen etwas dagegen sagen. Dabei sollte doch in unserer heutigen ach so zivilisierten Welt dafür kein Platz sein. (Dass das dann eins zu eins auf Autos zu übertragen ist, ist eine andere Geschichte.)
An all das musste ich denken, als ich letztens die Straße runterging. Vor mir ein junger Mann, stark tätowierte, Cap, Jogginghose und wahrscheinlich deutlich kräftiger als ich. Eine Erscheinung also, die sich RTL II nicht klischeehafter skripten hätte können. Er schaut beim Gehen permanent auf sein Handy und da das wohl auch seine Geschwindigkeit beeinflusst, überhole ich ihn. Als ich mit ihm auf eine Höhe bin, biegt er plötzlich ohne aufzublicken in meine Richtung ab und stößt so fast mit mir zusammen. Ein „Ey!“ und ein böser Blick, ich hebe entschuldigend die Hände, er geht dann wortlos vor mir vorbei.
Natürlich war das nur eine kleine, fast unbedeutende Begebenheit. Eigentlich sollte man so etwas sofort vergessen, vielleicht war er auch nur erschrocken, vielleicht habe ich ihn missverstanden. Trotzdem, ich habe mich noch lange geärgert (und tue es noch, sonst würde ich hier ja nicht schreiben). Warum habe ich nichts gesagt, schließlich hat er mich beinahe angerempelt. Am meisten stört mich, dass er jetzt meint, er sei ja im Recht gewesen oder hätte sich das zumindest erkämpft als Stärkerer (wobei er das wahrscheinlich innerhalb von 10 Sekunden alles wieder vergessen hat).
Ich weiß auch nicht, manchmal wünschte ich, ich hätte ein paar mehr Muskeln und ein weniger Skrupel. Dann wäre vielleicht vieles einfacher. Aber wie es immer so ist, man will immer das haben, was man nicht hat.



Freitag, 9. Dezember 2016
2016, Du hast Deinen Spaß gehabt...
Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie es genau vor einem Jahr war. Das Wetter war wohl scheinbar gleich, aber ansonsten war damals doch noch vieles anders. Das Flüchtlingsthema bestimmte immer noch die Nachrichten, Flüchtlingsheime brannte, aber zumindest die Demonstrationen des selbsternannten Volkes verlor an Rückhalt. Noch saß der Schock tief von den Anschlägen in Paris und Lemmy lebte auch noch.
Gefühlt war dann aber 2016 ein annus horribilis. Promisterben (War das echt mehr als in den letzten Jahren?), Anschläge in Nizza und auch bei uns, vereitelte Anschläge, Putschversuche und Bomben in der Türkei, Wahlerfolge der AfD – das waren die Schock-Themen, die scheinbar täglich auf uns einprasselten. Und dann die beiden Morgen, an denen ich aufwachte, die Nachrichten hörte und es nicht glauben konnte. Am besten trifft es immer noch dieser Tweet hier: Natürlich darf man nicht vergessen, dass es eigentlich für die meisten von uns ein sehr glückliches Jahr war. Selten ging es uns so gut, es gibt immer weniger Kriminalität (trotz der Flüchtlinge), die Arbeitslosenquote ist auf einem Rekordtief – was will man mehr. Aber das Gefühl sagt einem doch was Anderes, scheinbar stehen wir am Abgrund, die EU löst sich auf, die USA kapselt sich ab, Rechtspopulisten übernehmen immer mehr die Macht (apropos: Danke, Österreich!), der Terror kann jeden Tag wieder zuschlagen und Promis sterben auch weiter.

Und das schlimmste ist: 2016 ist noch nicht zu Ende...



Dienstag, 4. November 2014
Halloween-Wahnsinn
Zum ersten Mal seit langen war ich dieses Halloween mal wieder nachmittags zuhause. Also habe ich eine Tüte mit Süßigkeiten gekauft für den Fall, dass wirklich Kinder bei uns klingeln würden. Und tatsächlich, kaum war es dunkel, standen auch schon drei lustig gruselig verkleidete Gestalten vor der Tür, die einen kleinen Spruch aufsagten und dann eben auch eine entsprechende Belohnung erhielten. Ein paar Minuten später das nächste Klingeln, die nächste kleine Gruppe, das gleiche Spiel. Mit der Zeit wurden die Abstände aber immer kürzer und dann brauchte ich die Tür gar nicht mehr zu zu machen, denn die Kinder standen mittlerweile Schlange. Als ich dann ein paar Schritte vor die Tür machte, konnte ich meinen Augen nicht trauen: Die gesamte Straße war voll von Kindern. Ich weiß gar nicht, wo die alle hergekommen sind. Kleine Gruppen, große Gruppen, Einzelkämpfer, mit und ohne Elternbegleitung – es war wie eine Invasion. Bei den Verkleidungen war alles von Professionell mit Schminke bis zu „ein Vampirgebiss muss reichen“ alles dabei. Auch die Performance der Gruppen war sehr unterschiedliche. Manche hatten richtig kleine Sachen einstudiert, andere hielten nur mehr oder weniger wortlos ihre Tüten hin. So dauerte es auch nicht lange und mein Süßigkeitenvorrat war dahin und auch die Notrationen waren geplündert. Aber immer noch kamen Kinder, die teilweise ziemlich fordernd Süßigkeiten verlangten. Ich habe dann die Klingel abgestellt und soweit ich konnte das Licht zur Straße gelöscht. Erst später am Abend habe ich mich dann wieder vor die Tür getraut und musste feststellen, dass unsere gesamte Tür mit Zahnpasta verschmiert war, inklusive des Briefkastens.

Meine Lektion für das nächste Jahr: lieber wieder nicht zu Hause sein. Und dafür eintreten, dass dieser importierte Brauch möglichst schnell wieder verschwindet.