Herr Lachmann hat einen sehr interessanten Artikel über die
technische Neugier (oder das, was davon übrig ist) unserer Jugend beziehungsweise über deren Umgang mit Musik verfasst. Leider kann ich ihm da nur zustimmen. Mehr noch, ich fürchte, daß es noch schlimmer kommen könnte.
Tatsächlich ist es so, daß es für uns (damit meine ich die, die ihre ersten Musikerfahrungen zumindest noch mit Kassetten gemacht haben) normal ist, Musik zu kaufen, um sie dann überall dorthin mitzunehmen, wohin mal will. Ja mehr noch, man kann die Musik später auch verleihen oder bei Nichtgefallen wieder verkaufen. Und wenn wir mal kein Geld hatten, konnte man diese Musik von einem anderen ausleihen, um sie zu kopieren. Nur wenige haben darüber nachgedacht, ob das wohl auch legal wäre (was es ja war). Und natürlich hat man sich auch später CDs gekauft, boten diese doch erhebliche Vorteile gegenüber den kratzempfindlichen Analog-Platten oder den spuhlintensiven Analog-Kassetten.
Dann aber wurden die bespielbaren CDs und später noch die Tauschbörsen erfunden und das empfindliche Gleichgewicht, welches aus Kopieren, aber auch kaufen bestand, schien aus den Fugen zu geraten - jedenfalls laut Musikindustrie. Tatsächlich gab es einen Einbruch in den Verkäufen, was natürlich nur was mit den bösen Raubkopieren zu tun hatte und nicht mit dem rein zufällig gleichzeitig stattfindenden Wirtschaftsflaute.
Also flugs ein neues Feinbild aufgebaut und erst einmal schwere Geschütze auffahren. Da paßte es natürlich gar nicht in das Bild, daß Apple plötzlich Erfolg mit etwas hatte, was nicht funktionieren durfte. Aber die Musikindustrie wäre nicht sie selber, wenn sie diese Idee nicht aufgreifen und entsprechend versauen würde. Einfach noch mehr Geld pro Song nehmen und dem Benutzer noch weniger Rechte geben.
Aber oh Wunder - es scheint Menschen geben, die wirklich dafür Geld ausgeben. Warum auch nicht, schließlich bekommt man für noch mehr Geld noch weniger, was Jamba & Co. eindrucksvoll beweisen. Warum die Leute das machen, ist mir schleierhaft, aber sie haben bestimmt ihre Gründe.
Natürlich wird das der Musikindustrie immer noch nicht reichen. Schließlich kann man ja immer noch CDs kopieren und momentan finden sich immer noch Möglichkeiten, die DRMs zu umgehen (zur Not über den Analog-Ausgang). Und so werden unsere Kinder vielleicht einmal gar nicht mehr einzelne Songs kaufen. Sie werden das Recht kaufen, einen Song eine bestimmte Anzahl von Malen zu hören. Also schnell vor der Party noch sein Konto der Lieblingssongs auffüllen, um den Abend dann nicht plötzlich ohne Musik dazustehen. Brauch man ja aber gar nicht, schließlich ist man ja immer und überall online und spielt das Lied ab, wann man will. Die Rechnung kommt dann am Monatsende mit der Telephonrechnung.
Und genau diesen Kindern werden wir von damals
vom Krieg vom letzten Jahrtausend erzählen. Dann werden wir den alten Kassettenrecorder herausholen und aus den Digitalboxen ein Lied mitschneiden, nur um ihnen zu zeigen, daß man Musik auch mehrfach hören kann, ohne jedesmal zu bezahlen.
Vielleicht wird das auch nicht so passieren. Vielleicht werden sich irgendwann die Leute dagegen auflehnen, auf die Straße gehen und kämpfen. Kämpfen für einen freien unmittelbaren Zugang zu Musik und anderer Kultur. Kämpfen für die Selbstbestimmung über ihre persönlichen Daten, gegen die Kontrolle durch allgegenwärtige aber immer unscheinbar werdende Mechanismen wie RFID und für mehr Transparenz in den Datenflüssen der Industrie und Behörden. Sie werden kämpfen, wie sie heute gekämpft haben gegen die Reformen, die ihnen der Staat zu ihrem Glück auferlegt.