Freitag, 13. Februar 2004
Amerika
In der Schulzeit war Amiland (womit natürlich die USA gemeint waren) das gelobte Land. Jeder wollte dahin und stellte sich vor, daß es dort alles fast umsonst gäbe, wofür man hier viel Geld zahlen müßte: Markenklamotten, CDs, Technik, usw. Später in der Oberstufe, als die Leute zurückkamen, die ein Jahr in den Staaten als Sprachschüler gelebt hatten, zurückkamen, wurden diese natürlich von allen bewundert. Sie benahmen sich anders, hatten coole Klamotten an, meist einen Führerschein (mit 17!) und viel erlebt. Sie kannten Spielfilme, die erst Monate später bei uns kamen (das war damals noch so!), Fernsehserien, die keiner kannte, Sportarten, deren Regeln sich mir teilweise bis heute nicht erschließen und bei fast allem, was dann bei uns irgendwann trendy wurde, sagten sie: "Ach, das hatten wir drüben schon lange, das ist da schon wieder out." Außerdem sprachen sie ganz anders. Ihre Betonung erinnerte eher an ein Singen und immer wieder schlichen sich (natürlich "ganz aus Versehen") englische Worte ein, weil sie ja nur noch englisch konnten. Gut, es soll ein paar Querulanten gegeben haben, die die Wiederkehrer als "Angeber" bezeichnet haben, aber irgendwer ist ja immer neidisch.
Zum Abitur hin, wo die Berufswünsche konkreter wurden, war es natürlich ausgemacht, daß man in die USA auswandern wollte. Zumindest wollte man dort studieren. Also wenigstens ein Praktikum wollte man da machen. Gut, ein Urlaub würde es auch erst einmal tun. Also bin ich nach den bestandenen Prüfungen nach Florida gefahren. Meine Begeisterung hielt sich danach in Grenzen. Die Leute waren zwar freundlicher, aber oberflächlicher, das Einkaufen war auch nicht so billig, einhundert Kanäle im Fernsehen nutzen nichts, wenn auf 99 nichts ordentliches kommt (eine Erfahrung, die ich erst so richtig verstand, als ich den ersten Kabelanschluß bekam) und immer nur Fastfood war noch nie was für mich.
Politisch bin ich ja ein Vorwendekind, was Amerika immer als großen Beschützer empfunden hat. Zwar war ich auch gegen den zweiten Golfkrieg und habe in der Schule Plakate aufgehängt, aber damals waren das ja noch alle Staaten zusammen, die da mitmischten. Ansonsten gab es für mich Amerika (die Guten) und die Sowjetunion (die Bösen).
Erst in den letzten Jahren habe ich für mich erkannt, daß die USA nicht nur nicht das gelobte Land sind, sondern auch weit entfernt davon, das freieste der Welt zu sein. Es begann damit, daß ich mich über die McCarthy-Ära informiert habe. Dann Martin Luther King, die Indianer und ihre Vertreibung in die Reservationen und den Vietnam-Krieg. Immer mehr komme ich ins Zweifeln, ob man dort nicht nur so lange frei leben kann, solange man weiß, gläubig, wohlhabend und kapitalistisch ist. Hört sich jetzt ein wenig übertrieben an, ich weiß. Aber wirklich Wut kam in mir auf, als ich gestern einen Bericht über US-Bürger japanischer Herkunft sah. Als Pearl Harbour angegriffen wurde, wurden anschließend alle Einwohner, die japanischer Herkunft waren (auch wenn sie die amerikanische Staatsbürgerschaft hatten), gezwungen, in Lager umzusiedeln. Selbst die Betroffenen möchten diese nicht mit KZs verwechselt wissen, da dort keine Massentötungen vorgenommen wurden, aber trotzdem waren es eine Art Gefangenenlager. Diese Lager verstießen natürlich ebenso wie Guantanamo gegen die Verfassung, wurden aber trotzdem im Land errichtet (schließlich war Krieg). Einige Kongressabgeordneten wollten dieses nach dem 11. September 2001 auch mit allen arabischstämmigen US-Bürgern machen.
Wie kann ein Land nur eine solche Arroganz und Intoleranz besitzen? Mit welchem Rechtsbewußtsein geht man da vor? Für mich ist es auch schwierig, Amerika nicht als Person zu sehen, denn die Handlungsweisen ähneln sich über die Geschichte dieses Landes sehr. Aber natürlich weiß ich, daß es nicht immer dieselben Leute gewesen sind. Und bevor hier jemand schreit: Nein, ich habe nichts gegen die USA an sich, ich werde auch weiterhin zu McDonalds gehen (wenn auch nur selten), würde jedem Amerikaner sofort eine Pizza verkaufen, gucke mir auch bestimmt mal wieder den SuperBowl an und vielleicht mache ich dort sogar mal wieder Urlaub. Aber im Moment glaube ich kaum, daß ich in solch einem Land wirklich leben möchte.