Mütter
Auf einem U-Bahn-Gleis zum Feierabend: Als wir auf dem leeren Bahnsteig ankommen, wartet bereits eine Mutter mit Kinderwagen. Die Bahn lässt auf sich warten, immer weitere Leute kommen hinzu. Als schließlich die nächste Bahn einfährt, ist diese bereits gut gefüllt. Alle wartenden Menschen drängen sich daraufhin an dem Kinderwagen vorbei in den Wagen, so dass am Ende kein Platz mehr dafür bleibt. Die Mutter ist sichtlich empört: „Hauptsache Sie sind alle drin!“ ruft sie den Menschen im drinnen zu. Alle blicken betroffen zu Boden, einige versuchen, noch ein wenig Platz zu machen, was aber nicht reicht und so fährt die U-Bahn ohne die Mutter ab. Lächelnd dreht sie sich zu uns um (wir haben hinter ihr gewartet und waren selber überrascht, wie schnell die anderen an uns vorbeigezogen sind) und sagt: „Wenigstens haben die meisten nun ein schlechtes Gewissen!“
Das ist die eine Seite der Medaille. Wie oft habe ich schon gesehen, wenn eine Mutter mit ihrem Kinderwagen an der Treppe stand, möglichst noch mit einem anderen Kind an der Hand, und die anderen Menschen sind achtlos an ihr vorbeigelaufen. Meist erbarmt sich dann ein ältere Mann oder eine Frau ihrer, um zu helfen. Oder ein quengelndes und weinendes Kind, welches wahrscheinlich einfach nur müde ist, wird von der Mutter versucht, zu beruhigen, während sie sich von anderen anhören muss, was für eine schlechte Mutter sie doch sei (alles schon erlebt). Die Toleranz nicht nur gegenüber Kindern, sondern auch gegenüber deren Müttern scheint gefühlt immer weiter zu sinken.
Aber es gibt sie auch, die Kampfmütter, die zu dritt ein Café entern, jeder seinen Kinderwagen mitten in den Weg stellen und dann auch noch die Bedienung anpflaumen, wenn diese bittet, die selbigen doch ein wenig an den Rand zu stellen. Die Mütter, denen es gar nichts ausmacht, wenn ihre Kinder das Konzert / den Gottesdienst / das Abendessen im Restaurant stören und sich lieber daran erfreuen, wie aufgeweckt doch ihre Kinder sind. Von heiklen Themen, wie zum Beispiel dem öffentlichen Brustgeben will ich hier gar nicht anfangen. Jedenfalls die Art von Müttern, die glaubt, die Welt schulde ihr was, nur weil sie Kinder in die selbige gesetzt hat. Auch hier ist es oft mit Toleranz nicht weit her.
Ich finde Kinder toll. Das muss nicht jedem so gehen, aber zumindest muss man von jedem erwarten, dass sie Kindern und deren oftmals sehr gestressten Müttern mit etwas Nachsicht begegnet. Jeder war mal Kind und hat es damals sicher seiner Mutter auch nicht gerade leicht gemacht. Das kann aber nicht heißen, dass man sich alles gefallen lassen muss. Wer Kinder zu einem Ort (Theater, Restaurant, Kirche…) mitnimmt, die nicht originär für Kinder vorgesehen sind, dann sollte man besonders darauf achten, dass diese nicht als störend empfunden werden. Ich finde dieses Mütter-Bashing unschön, aber leider gibt es eben auch Mütter, die dieses provozieren.
Oh, fast hätte ich es vergessen: Eigentlich gilt das alles natürlich auch für Väter. Aber noch scheinen diese in der Minderzahl zu sein, jedenfalls sind sie mir in solchen Situationen noch nicht so aufgefallen.