Donnerstag, 21. September 2017
Der menschliche Urinstinkt
Ich bin immer wieder überrascht, dass unsere Urinstinkte uns immer noch so beeinflussen. Sei es bei der Partnerwahl, wo Frauen auf Männer stehen, die sowohl die Jagd nach Hause bringen können als auch auf die Kinder aufpassen und Männer auf Frauen, deren Körperproportionen ideal für die Geburt der Nachkommen sind. Oder dass wir viel zu viel Fett, Salz und Zucker zu uns nehmen, weil es ja morgen nichts mehr geben kann, weil der Mann vielleicht doch mal nicht der große Jäger war. Am meisten erstaunt mich aber, in wie vielen Situationen die Präsenz gerade von Männern eine Rolle spielt. Im Sport ist es ja nicht weiter verwunderlich, aber wenn man zum Beispiel in einer Schlange brav ansteht und es kommt ein stämmiger Mann daher und drängelt sich vor, wird man nur in den seltensten Fällen etwas dagegen sagen. Dabei sollte doch in unserer heutigen ach so zivilisierten Welt dafür kein Platz sein. (Dass das dann eins zu eins auf Autos zu übertragen ist, ist eine andere Geschichte.)
An all das musste ich denken, als ich letztens die Straße runterging. Vor mir ein junger Mann, stark tätowierte, Cap, Jogginghose und wahrscheinlich deutlich kräftiger als ich. Eine Erscheinung also, die sich RTL II nicht klischeehafter skripten hätte können. Er schaut beim Gehen permanent auf sein Handy und da das wohl auch seine Geschwindigkeit beeinflusst, überhole ich ihn. Als ich mit ihm auf eine Höhe bin, biegt er plötzlich ohne aufzublicken in meine Richtung ab und stößt so fast mit mir zusammen. Ein „Ey!“ und ein böser Blick, ich hebe entschuldigend die Hände, er geht dann wortlos vor mir vorbei.
Natürlich war das nur eine kleine, fast unbedeutende Begebenheit. Eigentlich sollte man so etwas sofort vergessen, vielleicht war er auch nur erschrocken, vielleicht habe ich ihn missverstanden. Trotzdem, ich habe mich noch lange geärgert (und tue es noch, sonst würde ich hier ja nicht schreiben). Warum habe ich nichts gesagt, schließlich hat er mich beinahe angerempelt. Am meisten stört mich, dass er jetzt meint, er sei ja im Recht gewesen oder hätte sich das zumindest erkämpft als Stärkerer (wobei er das wahrscheinlich innerhalb von 10 Sekunden alles wieder vergessen hat).
Ich weiß auch nicht, manchmal wünschte ich, ich hätte ein paar mehr Muskeln und ein weniger Skrupel. Dann wäre vielleicht vieles einfacher. Aber wie es immer so ist, man will immer das haben, was man nicht hat.